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Okt
2014
Fetzyologie 2014/4 AFJ Neues Judging System
Posted On 1. Oktober 2014
By admin
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Seit 17 Jahren nehme ich nun an Wettkämpfen teil und ich kann euch sagen, ich hab schon viele fragwürdige Schiedsrichter Entscheidungen und damit verbundene Streits, Debatten und Enttäuschungen gesehen und erlebt. Ebenso hab ich aber auch gelernt die Entscheidung eines Schiedsrichters zu akzeptieren egal wie Unnachvollziehbar sie sein mag.
Seit 4 Jahren bin ich nun als Fahrer Vertreter im Cable Wakeboard Council und vom ersten Tag an galt mein Schwerpunkt demVerbessern des Judgings. In den ersten Jahren fanden meine „exotischen“ Konzepte nicht viel Anklang im Council und vor 2 Jahr fand ich dann einen verbündeten der die letzten ergänzenden Bausteine für meine Ideen und meine Vision hatte. Nämlich Aaron Armborst der Wakeboard Ressortleiter des DWWV, E&A Council Secretary und 6 Star Judge mit viel Erfahrung und noch dazu selbst ein guter Shredder 🙂
Nach sehr sehr vielen Stunden Arbeit, schafften wir es heuer bei der WM in Norwegen unser System allen Council Members, Judges und Riders vorzustellen und siehe da, es fand sehr guten Anklang. Das System ist sehr Komplex und ich werde hier nicht auf alles im Detail eingehen können, dass würde den Rahmen sprengen. Hoffe jedoch das ihr ungefähr eine Idee bekommt wo die Reise hingeht.
Laut World Rules setzt sich die 100 Punkte Wertung zusammen aus 50 % Impression, also Höhe, Style, Intensität, Landung,… und 50 % Technical Performance, also technischer Schwierigkeitsgrad von Salto und Rotations Anzahl sowie Drehrichtung,… plus darin befindet sich auch die Composition also die Variation, Abwechslung und Balance zwischen den einzelnen Tricks.
Ein Judge hat bis jetzt immer eine Wertungen abgegeben zwischen 1-10 Punkte (inkl. bis zu 3 Kommastellen) und die Trennung dieser 50 % Impression und 50 % Tech und Composition fand nur im Kopf der Judges statt.
Die Praxis zeigt jedoch das diese Punkte nicht wirklich ein Gewicht und eine Konstanz haben, sondern meist mehr nach Reihenfolge gejudget und überlegt wird, also z.B. war Fahrer C nun besser also Fahrer A und B oder platzieren wir ihn in dazwischen, mit etwas Abstand für die nächsten Fahrer und so wird dann oft ein bisschen rein geschlichtet und geordnet.
Am Ende eines Finales verstehen dann sehr oft Zuseher, Fahrer oder Medien nicht warum Fahrer C jetzt nicht vor Fahrer A ist. Aber es ist auch nicht verwunderlich, denn lasst uns mal theoretisch nachrechnen. Wir haben bis zu 8 Fahrer in einer Gruppe/Finale, jeder macht im Optimalfall ca. 8 Tricks in einem seiner zwei Läufe, das ergibt Gesamt = 128 Tricks die gesehen wurden.
Wenn mann sich das nicht mitschreibt oder mit geschrieben sieht, kann mann sich nur mehr an Teile von dem Puzzle erinnern und es ist unmöglich das ganze Bild zusehen. Du erinnerst dich vermutlich an die Bänger aber nicht an die Details, das Fahrer C z.B. bei der Hälfte vom ersten Rail abgestiegen ist, oder er beim letzten Trick am Kicker gepatzt hat, oder vielleicht da kein einziger Toeside Trick dabei war, etc…
Zurück zum Rechenbeispiel, und von diesen 128 Tricks zählt nur eine Runde, also für den Judge sind immer noch 64 Tricks über die er Vergleichen, Bewerten und Einreihen muss und das so schnell wie möglich am besten innerhalb von 1 min nach dem Fahrer und jeder der schon mal selbst gejudget hat, weiß wie schwer, hart und stressig das sein kann. Und da können schon mal Fehler passieren, Judges sind auch nur Menschen und keine Computer-Hochleistungs-Rechenmaschinen.
Deswegen liegt das Hauptaugenmerk des neuen Systems darin es leichter für die Schiedsrichter und transparenter und nachvollziehbarer für die Fahrer, die Zuseher und die Medien zu machen. Zusätzlich werden sich die Fahrer auch besser auf Wettkämpfe vorbereiten können und vielleicht lasst sich dadurch auch die Entscheidung vom IOC für Olympia 2024 positiv beeinflussen.
Übrigens wir nennen das neue Judging System AFJ, es steht für AARON FETZ JUDING und ist mit AF eine kleine Anlehnung an das AF für den Autofokus bei Kameras, den hier passiert auch vieles Automatisch.
Beim AFJ konzentriert sich der Judge nur auf die 50 % Impression und die anderen 50 % von Technical Performance und Composition werden automatisch von einem logischen und fein ausgeklügelten Algorithmus System erfasst.
Im Detail vergibt der Judge nur mehr 1-10 Punkte pro Trick für die Ausführung. Er kann die ganze Zeit den Fahrer und Kurs beobachten und muss nicht mehr wegsehen für seine Notizen, denn die Zahl 1-10 lasst sich auf einem Ipad auch „blind“ eingeben. Die Tricks werden von einem Observer (Spoter) erfasst und diese werden später nur mehr von allen Judges akzeptiert oder gegebenen falls korrigiert. Der Judge befasst sich nur mehr damit Abzüge zu geben war der Trick extrem unsauber gelandet z.B. 2 punkte Abzug, war er extrem niedrig z.B. wieder zwei Punkte Abzug,.. unstylisch etc…
Der Judge kommt somit nicht in die Versuchung direkt zwischen zwei Fahrern eine Entscheidung in der Reihenfolge treffen zu müssen, sondern der Rest liegt nicht mehr in seiner Macht. Das Satz: „Konzentration statt Verzettelung“ trifft es vermutlich am besten.
In einem optimalem Kurs sollte Platz sein für 4 Air Tricks & 4 Obstacle Tricks (2x Kicker, 2 x Rail) um die maximal 25 Punkte für die Compositon rauszuholen, dazu aber aber später mehr. Das heißt es zählt weiterhin die Qualität und nicht die Quantität wie z.B. beim Trickski fahren.
Ebenso ist zu erwähnen dass es kein Spin to Win wird, ein extrem hoher, stylisch gegrapter und perfekt gelandeter 360 kann immer noch einen total niedrigen, hektischen und schrecklich gelandeten 720 schlagen. Mann muss sich immer dessen bewusst sein dass Aufgrund der Ausführung der Trick immer noch 50% der Punkte verlieren kann. Ein perfekter 60 Punkte Tech Lauf kann immer noch einen fürchterlichen 100 Punkte Tech Lauf schlagen über seine Ausführung. Nur diesmal kann sich jeder Fahrer selber im Vorhinein ausrechnen wie viel er bekommen würde, wenn er etwas wie ausführt.
Ein netter Zusatz Effekt ist ebenso dass mann ab nun alle Wettkämpfe an gleichen Kursen (Anlagen) sehr stark miteinander vergleichen kann. Nehmen wir an, bei deiner Anlage findet eine Weltmeisterschaft statt, der beste Score war 91 Punkte, das Jahr darauf fährst du bei den Nationals an der gleichen Anlage (mit gleichem Obstacle Set up) einen Run mit 95 Punkte, dann weißt du und auch jeder andere mit dem Run hättest du das Jahr zuvor gewinnen können.
Die meiste Arbeit und das meiste Kopfzerbrechen haben wir in die Matrix gesteckt, so nennen wir das Algorithmus-System das alle Wakeboardtricks erfasst und ihnen Punkte vergibt. Wir haben die Punkte pro Tricks nicht willkürlich gewählt, sondern wir haben nur etwas über 30 Parameter festgelegt und das System rechnet sich die Tricks alleine aus, also auch wenn mal ein neuer Trick gemacht wird an den wir nie zuvor gedacht haben… gibts dafür logische Punkte.
Die Parameter bestimmen im Endeffekt die Reihung der Schwierigkeit und wurden von uns sorgfältig überlegt, getestet und ergeben Sinn. Wir beziehen uns auf unsere eigene praktische Erfahrung am Wasser, aus der jahrelangen Coaching Erfahrung plus zusätzlich haben wir bereits auch Feedback von mehreren Weltklasse Fahrern eingeholt. Wichtig war uns aber auch das jede Entscheidung eines Parameters auf einer logisch erklärbaren „Beweisgrundlage“ basiert. Also warum soll Parameter A z.B. ein Raley leichter eingestuft werden als Parameter B z.B. ein Frontflip.
Nehmen wir als Beispiel z.B. die 4 existierenden Drehrichtungen her. Bei Toeside Frontside (TS FS) ist kein Handlepass nötig und die TS anfahrt begünstigt die Drehrichtung und gibt wahrlich einen kleinen Impuls mit, man dreht sich sozusagen aus und zusätzlich landet man auf der angenehmen HS Kante. Somit wird TS FS als leichteste Drehrichtung mit dem Faktor (Parameter) 0,7 eingestuft. Als nächstes kommt Heelside Frontside (HS FS ) mit Faktor 0,8, weil man immer noch nicht umgreifen muss aber es schon ein bisschen schwieriger wird anzudrehen. An Platz Nummer drei kommt dann Heelside Backside (HS BS) mit Faktor 0,9, denn hier ist schon ein Handlepass oder zumindest eine Blind Landung von Nöten. Als schwierigste Drehrichtung stufen wir Toeside Backside (TS BS) ein mit Faktor 1,0, und da sprechen wir von einem sauberen best-case Szenario TS BS wo die Hantel erst nach dem Take Off und nicht schon während der Anfahrt übergeben wird, ansonsten gibt das natürlich Abzüge in der Impression.
Sehr kurz und anschaulich lasst sich noch die Punkte Vergabe für die Anzahl der Rotationen erklären. Aktueller stand der Dinge ist derzeit wohl ein 1260°, somit gibt dieser 100 Punkte, alle 90 grad wird adäquat runter gerechnet bis Schluss endlich 0 Punkte für 0 Grad da stehen. Mann muss aber auch erwähnen das es diese 100 Punkte nur in der schwierigsten Ausführung gibt also TS BS mit Double Grab.
Diese Matrix ist ein flexible System und alle zwei Jahre kann das JDC (Judging Comitee) die Werte neu setzen. Werden z.B. irgendwann 1440° Standard in Events kann dieser mit 100 Punkte ersetzt werden. Es sei zu erwähnen das manche Tricks sogar die 100 Punkte Wertung überschreiten, aber im ganzen Lauf wird der Fahrer trotzdem noch in den 100 Punkten bleiben.
Dann gibts natürlich noch Parameter für Tricks wie Raley, Backroll, Frontflip und Co. Aber auch kleine Details wurden berücksichtigt wie: kein Grab, Grab oder double Grab. Sowie sehr wichtig bei Obstacles, war da ein Ollie on, Press, Reverse, Gap, Transfer, etc…
Somit sind nun endlich Frage geklärt wie zählt ein Crowmobe mehr als ein Toeside Raley 360, ein Blind Judge mehr als eine Backroll to Blind usw… die Voraussetzung im Vergleich ist natürlich immer die selbe Ausführung (Impression).
Nach vielen schlaflosen Nächten haben wir auch eine Methode entwickelt um die Composition messbar zu machen. Da die Composition 25% von den 50% Tech und Composition ausmacht, haben wir 25 Kriterien gewählt. Jedes Kriterium steht sozusagen für einen Punkt von den 100 Punkten in der Gesamtwertung am Ende deines Laufs. Darin stehen Kriterien wie, Inside Trick & Outside Trick, Toeside & Heelside Airtricks, Whip Trick, Kicker, Rail, Alle vier Drehrichtungen, Press & Grab, etc…
Interessant im Nachhinein ist auch dass alle Tricks und Punkte auf den Ergebnislisten sichtbar gemacht wären können. Ja sogar in den Profilen der registrierten Fahrern, werden alle Tricks online festgehalten. Anbei die AFJ Auswertung von Freddy von Osten bei seinem Final Lauf bei der WM in Norwegen diesen Sommer.
Einige von euch Fragen sich jetzt, ob es nicht komisch aussehen wird bei „schwächere“ Kategorien wie z.B. Girls. Und ob es da nicht besser wäre z.B. eine Art „Handicap“ Punkte zu vergeben zB. +30 Punkte on Top damit das finale Ergebnis auch wieder an die 100 Punkte rankommt und etwas sportlicher aussieht. Von dieser Vorspiegelung falscher Tatsachen halten wir jedoch nichts, man soll ruhig schon in jungen Jahren sehen wie viele Punkte einem noch auf einem Freddy von Osten fehlen und dies hat unser Erachtens auch einen motivierenden Aspekt und zeigt von wahrem Sportsgeist und Größe. Dann muss man auch noch erwähnen dass mann mit diesem System nicht nur extrem Technisch fahren muss um eine hohe Punkt zahl zu erreichen. Den Tech sind ja „nur“ 25 % sprich also 25 Punkte. Mann kann sich ja schon alleine 50 Punkte über die Impression hohlen und auch in jungen Jahren wären evtl. sogar noch weitere 25 Punkte über die Composition drinnen, wobei wir schon auf 75 Punkte sind.
Sehr spannend für Zuseher und Medien, wird es auch da der technische Score schön während des Laufes, also genau sobald die Eingabe vom Observer erfolgt, auf den Livescoring Screens erscheint. Und die Impression Score wird dann ganz „dramatisch“ im Nachhinein in ca. 1-2min eingespielt. Somit könnte es sein das man technisch schon kurz Weltmeister ist, aber die Praxis (Impression) einen dann wieder zurück auf den Boden holt.
Anbei ein letztes Detail am Rande. Die 50 % Impression setzen sich zu 40 % aus den Punkten der einzelnen Tricks zusammen und 10 % darf der Judge nochmal gesondert in einer Overall Impression (1-10 Punkte) für den gesamt Lauf des Fahrers entscheiden.
Der aufwendigste und auch kostenreichste Part, nämlich die finale Programmierung, Kompatibilität mit Start & Ergebnislisten, Worldrankings, Judging Interface, TV Übertragungen etc… steht noch vor uns. Die finale Entscheidung, ob und überhaupt wird hoffentlich diesen Winter noch vom Cable Wakeboard Europa und Worldcouncil entschieden.
Zielsetzung ist das neue System erstmalig bei der nächsten WM 2016 die evtl. in Mexico stattfinden wird zu nutzen.
Danke das ihr mit dem Lesen, der längsten Fetzyologie solange durchgehalten habt 😉
Wünsche Euch eine schönen Winter!
Fetzy